Buntstifte als Symbol für Einfluss umgebender Unternehmenskultur

Kulturwandel in Unternehmen – wie ich den steinigen Weg der Veränderung wagte und was ich daraus lernte

Wir haben Vorträge, Modelle und Konzepte ausgearbeitet und auf Betriebsversammlungen zur Diskussion gestellt. Trotzdem ebbte die Initiative nach 2 Jahren ab und löste sich auf.

Immer wieder kommt in Unternehmen die Frage auf, wie sich die Unternehmenskultur verändern lässt. Zum Beispiel, um sie an Veränderungen anzupassen, die sich über die Jahre in der Gesellschaft entwickelt haben.
Aber warum ist das eigentlich so wichtig? Wer im Wettbewerb bestehen will, muss sich bestmöglich an den äußeren Wandel anpassen. Folglich bergen Trägheit und Starre ein großes Risiko. 

Menschen gelten als erfolgreiche Spezies, weil sie sich so gut anpassen und weiterentwickeln können. Bei langfristig erfolgreichen Unternehmen ist das vergleichbar. Gewinner sind am Ende nicht die Erfahrenen, sondern die Flexiblen und Agilen, die die Fähigkeit besitzen, sich schnell anzupassen. Geld in die Hand zu nehmen, um Technologie für die Produktentwicklung zu kaufen, ist vergleichsweise einfach.

Aber wie verändern wir die Kultur in einem Unternehmen? Genau darum geht es mir in diesem Beitrag.

Unternehmenskultur – Was ist das eigentlich?

Definitionen, Modelle, Erklärungen, Strukturen und Kategorien gibt es so einige. 

Im „Gabler Wirtschaftslexikon” heißt es beispielsweise: „Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten der Organisationsmitglieder prägen.”

Ich bin aber gar nicht auf Modelle, Normen und Kategorien aus, sondern auf Gelebtes und Erfahrenes. Deshalb hier nun meine Betrachtung, in der ich mich stark an Werten orientiere.

Ein Unternehmen ist genau genommen eine Unternehmung. Eine Gruppe von Menschen kommt zusammen, um in einem Rahmen der Zusammenarbeit ein klares Ziel zu verfolgen. Damit das gelingt, haben Unternehmen Organisationsstrukturen. Diese Organisationsstrukturen gehen rein strukturell mit Hierarchien einher. Kompetenz-Hierarchien basierend auf Fähigkeiten und Erfahrungen sind meist gepaart mit Macht-Hierarchien basierend auf Entscheidungshoheit und personenbezogener Verantwortung. Es braucht gemeinsame Werte des Umgangs, um gemeinsam erfolgreich zu sein. 

Hat man sich nun auf Werte und Umgangsformen geeinigt – ist das dann die Unternehmenskultur? 

Ich bin der Meinung, dass es genau betrachtet nur eine Absichtserklärung ist. Genauso wie es die Absichtserklärung der Bürger eines Staates ist, sich gesetzestreu zu verhalten. Die Kultur aber ist vielmehr der wahrhaftige Zustand.

Ein Beispiel: Im Leitbild des Kulturmanagements könnte zum Beispiel vom Wohl der Mitarbeitenden und der Work-Life Balance die Rede sein. In der Realität wird aber zugelassen, dass Mitarbeitende überlastet sind und Überstunden leisten, um viel zu optimistisch geplante Projekte noch irgendwie zur Deadline abzuschließen. Das Leitbild und die gelebte Realität sind in diesem Beispiel mindestens unstimmig, wenn nicht sogar divergent. Um es hart provokant zu formulieren: Wenn jemand ausfällt aufgrund von Überlastung, haben einige zugeschaut und es zugelassen. Das ist wohl kaum im Sinne eines Leitbildes, das Wert auf das Wohl der Mitarbeitenden legt.

Werte und Umgangsregeln

Die technologische Weiterentwicklung und Globalisierung sind vielleicht die stärksten treibenden Kräfte hinter gesellschaftlicher Veränderung. Wir Menschen passen uns ständig an und diese Anpassung verändert die Kultur, in der wir leben. Dies geschah noch nie so schnell wie aktuell und wird zunehmend schneller vollzogen. Wir kennen das: Wir reden von Sitten, Etiketten, angemessenem Verhalten, Benimmregeln, Höflichkeitsfloskeln, ausgewählter Sprache, respektvollem Umgang usw. All das sind Themen, die im Alltag in unserer Gesellschaft einen hohen Wert haben. Diese Werte verändern sich kontinuierlich. In Gesellschaften und Gruppen braucht es ein gemeinsames Verständnis davon, wie wir miteinander umgehen. Ist das nicht der Fall, sind Konflikte als Folge dessen sehr wahrscheinlich. Diese gesellschaftlichen Werte finden folglich auch im Mikrokosmos unseres Unternehmens statt.

Wie erfahre ich Unternehmenskultur?

In den Unternehmen, die ich bereits kennenlernen durfte, wurden Wochen und Monate in die Erarbeitung eines Leitbilds zu Werten investiert. Alles Absichtserklärungen! Ein Hype während der Ausarbeitung: Jedes Wort genau durchdacht und mit viel Engagement und Herzblut verfasst.

Hand aufs Herz, letztlich findet es dann Platz auf einer Unterseite im Intranet, einem Heftchen in der Schublade oder dem Regalfach im Büro. Bestenfalls hängt es an einem hochfrequentierten Ort für alle sichtbar aus oder wird auf der Unternehmenswebseite präsentiert. Gut gedacht, aber leider unzugänglich für alle, die sich nicht an diesem Ort befinden oder auf der Website vorbeischauen, und irgendwann dann auch kaum noch beachtet. Immerhin haben wir uns hoffentlich alle einmal damit befasst und kennen den Inhalt grob.

Wie lebt man Unternehmenskultur?

Vermutlich sind wir uns alle darüber einig, dass allgemeingültige gesellschaftliche Umgangsregeln auch im Unternehmen gelten. Hinzu kommen Werte, die förderlich für den Unternehmenserfolg sind. Wie zum Beispiel das bereits genannte Achten auf Work-Life Balance bzw. Überstunden mit dem Ziel gesunder Arbeitskräfte, die nachhaltig Leistung liefern. Wenn aber der Aufschrieb der Regel nicht die Umsetzung garantiert und die Kultur vielmehr den wahrhaftigen Zustand beschreibt, woher kommt dann die gelebte Unternehmenskultur?

Beim Kaffeeklatsch mit den Kollegen erfuhr ich Erstaunliches. Der andere Bereich ist viel familiärer. Dort sind alle per Du.

Ein Unternehmen und mehrere Kulturen

Hierzu eine kurze Geschichte. Ich arbeitete in einem Unternehmen mit ca. 1500 Mitarbeitenden am Standort. Innerhalb meines Bereichs empfand ich den Umgang als relativ „normal“. Das lag vor allem daran, dass ich noch keine anderen Bereiche kennengelernt hatte. Beim Kaffeeklatsch mit Kollegen, die zuvor in einem anderen Bereich des Unternehmens gearbeitet hatten, erfuhr ich jedoch Erstaunliches. Der andere Bereich ist viel familiärer. Dort sind alle per Du. Auch wäre man viel hilfsbereiter und die Hierarchien flacher. Eine ganz andere Form der Zusammenarbeit. In den folgenden Monaten schmückte sich das Bild aus. Als ich 2 Jahre später in den vermeintlich attraktiven Bereich wechselte, wurde mir von Tag eins an klar, wie gelebte Werte in Bezug auf Kultur wirken. Ich war es gewohnt, höheres Management mit per Sie anzusprechen und eher zu reagieren, sowie mich zurückzunehmen – aus Respekt. Im neuen Bereich stellte sich mein Bereichsleiter mit Vornamen vor, lud mich ein, ihn jederzeit ansprechen zu können, wenn ich etwas kritisch sehe, ein Problem mich umtreibt oder ich Unterstützung bei etwas benötige. Er freute sich, mich nun näher kennenzulernen und mit mir neue Perspektiven und neuen Wind in seine Reihen zu bekommen. Dieses Verhalten bewirkte Respekt in mir durch das vorbildliche Wahrnehmen.

In den folgenden Monaten blühte ich richtig auf, wurde gehört, hatte Chancen, Ideen einzubringen und diese umzusetzen. Ich konnte etwas bewirken, war kreativ, motiviert und entwickelte mich rasant weiter. Ich war integriert und identifizierte mich viel mehr als zuvor mit dem Unternehmen und dessen Produkt.

Das Erstaunliche war, dass dieser Unterschied in einem Unternehmen, an demselben Standort und sogar in produktverwandten Bereichen stattfand. Jeder Bereich schien eine ganz eigene Kultur zu leben. Wie konnte das sein, wenn es doch das Leitbild und die Unternehmenskultur gab.

Als ich später Mitarbeiter anderer Standorte kennenlernte, wurde diese Vielseitigkeit  der Unternehmenskultur innerhalb eines Unternehmens auf die Spitze getrieben. Mein Standort galt bei den Kollegen anderer Standorte als Paradies, der Ort, an dem Milch und Honig fließen. Wie kann das sein?

Wie verändern wir Unternehmenskultur?

Mitarbeitende kündigen vorrangig der Führung. Unternehmungen verändern sich selten, die Führung schon und mir ihr die Kultur. 

Der Einfluss von Führung

Es ist das eine, etwas auszuarbeiten und festzuhalten. Es ist viel herausfordernder, das Niedergeschriebene dann auch umzusetzen und nachhaltig zu integrieren. Ich spreche von Leitbildern und Werten. Wisst ihr, wo das Leitbild und die Unternehmenswerte eurer Unternehmung stehen? Könnt ihr sie aus dem Stand wiedergeben? Wenn nicht, wie wisst ihr, dass ihr dieselbe Wertvorstellung teilt. Wie stellt ihr sicher, dieselbe Wertvorstellung zu leben? Was hält euch davon ab, in eigene Muster zu verfallen? Eine zusätzliche Herausforderung ist es, wenn wir diese gemeinsamen Regeln mit der Zeit ändern und wir uns daran anpassen sollten. 

Veränderung ist oft schwierig, nervig, belastend. Je älter wir werden, desto weniger Veränderung wollen wir erfahren. Das höre ich jedenfalls von älteren Menschen und zugegeben merke ich es auch an mir selbst. „Früher war alles besser!” heißt es oft. Es ist stressig, wenn Gewohntes wie Prozesse und Abläufe, Rollen und Information plötzlich anders stattfinden.

Wie wir uns im Privaten verhalten, ist allein uns überlassen, hier sind wir letztlich verantwortlich für uns selbst. Im Unternehmen verfolgen wir aber ein gemeinsames Ziel. Wir kommen nicht umhin, mit der Veränderung Schritt zu halten. Wir haben einen Vertrag unterschrieben, um unsere Arbeitskraft in den Dienst zu stellen. Die Veränderung ist schwierig und herausfordernd, aber notwendig.

Für den Erfolg im Wettbewerb braucht es Veränderung und schnelle Anpassung. Für schnelle Anpassung braucht es Führung. Warum? Damit bei all der Veränderung die Werte, oder besser die Wertschätzung zwischen den Menschen weitergelebt wird. Es ist vollkommen gleich, welche Organisationsform oder Struktur vorherrscht. Jeder einzelne Mitarbeitende kann beispielhaft sein – ein Vorbild sein. „Lead by example” heißt es im Englischen. 

Eine Führungskraft strebt nach einer Vision. Um sich dieser Vision maximal anzunähern, braucht es Veränderung, sonst würde ja der Status Quo erhalten bleiben. Eine Führung hat per Definition auch eine Gefolgschaft. Ohne Gefolgschaft gibt es nichts zu führen. Führung trägt Verantwortung für ihre Gefolgschaft. In dieser Verantwortung liegen meines Erachtens die Werte und Umgangsformen und somit der Einfluss in Bezug auf die Kultur. Vereinfacht formuliert: Die vorherrschende Kultur ist ein Abbild des Werteverständnisses der Führung. Das wäre zumindest eine Begründung, warum verschiedene Unternehmensbereiche verschiedene Kulturen hervorbringen. Hierbei spielt es meines Erachtens keine Rolle, ob es sich um eine Person oder eine Gruppe von Personen handelt. Dort wo geführt wird, werden Werte vorgelebt und von der Belegschaft adaptiert. Genau aus diesem Grund kündigen Mitarbeitende vorrangig der Führung und nicht der Unternehmung. Die Unternehmung ändert sich selten, die Führung schon und mit ihr die Kultur. An alle Führungskräfte: Wenn die Kultur in eurem Verantwortungsbereich krankt, dann liegt das auch an euch!

Keine der tatsächlich herausfordernden Veränderungen wurde angegangen. Das Budget wurde aus Spargründen bis ins Lächerliche gekürzt. Der Austausch mit der Geschäftsführung wurde auf 10 Minuten PowerPoint mit 2 Folien neben einem Dutzend weiterer Initiativen in einem Meeting pro Quartal reduziert. Mein persönlicher Todesstoß erfolgte durch den Satz „Könnt ihr eure aktuellen Quick-Wins mal vorstellen?”.

Viele Wege führen aus Rom heraus: Veränderungsinitiativen Bottom-up und Dop-Down

In den ersten Berufsjahren als unerfahrener Neuling glaubte ich, dass ich auf das Unternehmensgeschehen Einfluss nehmen kann und mit neuen Ideen schon überzeugen werde. Es braucht nur die richtigen Argumente und dann lässt sich auch die Kultur eines Unternehmens durch den Einzelnen optimieren. Hach, was war ich naiv und voller Herzlichkeit. Der Bottom-up-Gedanke, also aus der Belegschaft heraus „gegen die verharzten Strukturen” zu agieren, dachte ich mir. Genau hier lag auch schon der Fehler: „gegen” … wie war das noch zuvor?… „Im Unternehmen verfolgen wir ein gemeinsames Ziel.” Wir haben den Arbeitsvertrag unterschrieben, um unsere Leistung in den Dienst zu stellen. Wir waren bei der Bewerbung hoffentlich motiviert, in dieser Rolle für diese Unternehmen zu arbeiten. Wie können wir also Teil einer Gruppe sein, die ein gemeinsames Ziel verfolgt und dann „gegen die” sein?

Mit etwas mehr Reife und Berufserfahrung änderte sich meine Sicht. Ich war Teil einer bereichsübergreifenden Arbeitsgruppe von gut 50 Mitarbeitenden. Wir verfolgten das Ziel, aus der Belegschaft die Ideen und Werte für eine tolle Zusammenarbeit auszuarbeiten (ähnlich New-Work). Wir hatten Unterstützung durch die Geschäftsführung und in unserer Gruppe gab es einige Führungskräfte, inklusive mir. Wir haben Vorträge, Modelle und Konzepte ausgearbeitet und auf Betriebsversammlungen zur Diskussion gestellt und trotzdem ebbte die Initiative nach 2 Jahren ab und löste sich auf. Wir schafften es nicht, die Schwelle der nachhaltigen Integration in den Alltag zu überschreiten. Bottom-up schien mir schlicht unrealistisch und nicht möglich. Die Annahme, aus der Belegschaft heraus Gehör, Zeit und Investment für eine Unternehmenskultur-Initiative zu erhalten, zeigte sich recht schnell als unrealistisch. Zu viele haben das bereits versucht, um dann zu scheitern.

Folglich dachte ich fortan, dass Kultur nur durch die Unternehmensführung kommen kann. Böse formuliert: „Der Fisch stinkt vom Kopf an”.

Buntstifte auf weißem Grund zeigen mit ihren Spitzen von unten und von oben kommend aufeinander.
Top-Down oder Bottom-up: Leiv hat schon in beiden Konstellationen Initiativen zur Kultur-Veränderung erlebt, die letztlich gescheitert sind (Foto: Getty Images).

In einem anderen Unternehmen hatte ich die Ehre, sehr früh in eine Initiative zu New-Work berufen zu werden. Diesmal kam der Aufruf von der Geschäftsführung. Also Top-down – Yeah! Es gab Budget und Commitment. Erste kleine Ideen (low hanging fruits und quick wins) wurden schnell realisiert, bis nach circa 2 Jahren Folgendes passierte. 

Keine der tatsächlich herausfordernden Veränderungen wurde angegangen. Das Budget wurde aus Spargründen bis ins Lächerliche gekürzt. Der Austausch mit der Geschäftsführung wurde auf 10 Minuten PowerPoint mit 2 Folien neben einem Dutzend weiterer Initiativen in einem Meeting pro Quartal reduziert. Mein persönlicher Todesstoß erfolgte durch den Satz „Könnt ihr eure aktuellen Quick-Wins mal vorstellen?”.
Für mich bedeuten diese Worte in einem fortgeschrittenen Prozess, dass schnell Werte realisiert werden sollen, die als Alibi für eine Umsetzung der Initiative herhalten sollen. Tatsächlich werden aber die wichtigen und oft schweren Herausforderungen nicht angegangen. Nachhaltige, robuste Veränderung findet dann nicht statt. Im damaligen Fall war klar: Top-down war hier gescheitert.

Was den Unterschied bewirkt, sind Werte und Wertschätzung wie Vertrauen, Respekt, Integration, Transparenz, Kommunikation, Mitbestimmung, Fortbildung, kontrollierte Arbeitsbelastung, eben Investitionen in die Person und das Miteinander.

Was ist Kultur-Transformation?

Ich bin kein Freund von Schönreden. Mir ist es lieber, das Unbequeme direkt anzusprechen, auch wenn es schmerzt, aber dann auch tatsächlich genau diesen Schmerz anzugehen. Mein Blogbeitrag zur Team-Schmerz-Matrix adressiert genau dieses Vorgehen.
Was also heißt es, Kultur zu verändern? Für mich bedeutet das, den Worten Taten folgen zu lassen. Für alle Mitarbeitende und erst recht für diejenigen, die sich Führungskraft nennen, bedeutet es, Werte des Leitbildes vorzuleben. Am besten mit integrierten Feedbacks in Gesprächen mit dem kollegialen Umfeld und regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen der gesamten Belegschaft. Ständige Feedbackschleifen sind ein Quell an Verbesserungspotential.

Kultur sind gelebte Werte und Werte beziehen sich auf den Umgang miteinander. Hier geht es um individuelle Gefühle und Emotionen. Das bedeutet konkret, die Sicherheit zu haben, Unterstützung und Wertschätzung zu erfahren, um die beste Leistung erbringen zu können. Das sollte allen, die Teil der Unternehmung sind, höchst wichtig sein. Vor allem jedoch der Geschäftsführung und den Führungskräften. Der Preis einer Kündigung ist oft stark unterschätzt und wenig beachtet. Jahrelanges Investment, Wissen und Erfahrung in Produkt, internes Netzwerk und Kunden verlassen die Unternehmung. Wer kann sich das leisten? Wer leistet sich das in Zeiten von Fachkräftemangel?

Kulturtransformation heißt also kontinuierliche Veränderung in Bezug auf Verbesserung des Umgangs miteinander.

Diese Perspektive mit euch geteilt, führt für mich zu folgender Hypothese: Es geht nicht um hübsche Büromöbel, Zimmerpflanzen, kostenloses Obst, besonders guten Kaffee, Corporate Benefits, und all das. Das sind vergleichsweise „low hanging fruits” oder „quick-wins”!

Bitte versteht mich nicht falsch. Das sind gute Taten und auch Wertschätzung, aber wenn es auf die Loyalität von Mitarbeitenden ankommt, werden diese Maßnahmen niemanden im Unternehmen halten.

Was den Unterschied bewirkt, sind Werte und Wertschätzung wie Vertrauen, Respekt, Integration, Transparenz, Kommunikation, Mitbestimmung, Fortbildung, kontrollierte Arbeitsbelastung, eben Investitionen in die Person und das Miteinander. Das vorzuleben und zu integrieren bedeutet in erster Linie kontinuierliche Arbeit an sich selbst. Das gilt für alle. Als Führungskraft erst recht – Lead by example. Damit die Führungskräfte genau das vorleben, braucht es nicht nur deren Willen, sondern auch breite Unterstützung. Bestimmt regt sich die ein oder andere Führungskraft gerade auf, nach dem Motto „Ja klar, was soll ich denn noch alles leisten?”. Es hat hoffentlich keiner zuvor geglaubt, dass die Führungsrolle einfach ist. Das ist sie ganz und gar nicht.

Buntstifte stehen mit den Spitzen nach oben in einem Becher.
Beim Inside-Out-Ansatz geht es um die gemeinsame Veränderung innerhalb der Organisation (Foto: Getty Images).

Veränderung gelingt von innen heraus: Der Inside-Out-Weg

Ich hatte das Glück einige Initiativen zur Kulturveränderung zu begleiten. Manche habe ich selbst initiiert und bei manchen wurde ich eingeladen mitzuwirken. Ich bin mit der Zeit etwas müde geworden. Buttom-up funktioniert nicht, Top-down hat in meinen Fällen auch versagt.

Was nun?

Schließlich hatte ich die Chance, in einem Unternehmen ein Team zu betreuen, das recht neu entstanden ist. Das Unternehmen wollte sich modernisieren. Eine sehr interessante Konstellation. Mit einem jungen Team gibt es die Chance, den Teamaufbau von Null auf zu gestalten. Der Wille zur Modernisierung brachte einige Freiheitsgrade mit sich und von der Unternehmensführung gab es ebenfalls Freiheiten.

Die Zusammenarbeit im Projekt sollte sich nach Scrum richten. Scrum kommt mit einer Basis eigener Werte und dem House of Scrum, das auf Vertrauen aufgebaut und durch Transparenz, Inspektion und Adaption getragen wird. Der gesamte Prozess basiert auf mehreren Feedbackschleifen und ist hoch empirisch. Wobei die Werte von Scrum so basisnah sind, dass sie sich sehr leicht in den meisten Leitbildern wiederfinden.

Wir begannen unsere Zusammenarbeit, indem wir gemeinsam unser Working Agreement gestalteten. Dazu konnte jedes Teammitglied seine ganz individuellen Werte vorstellen. Diese wurden gemeinsam gehört, gegebenenfalls angepasst, oder außen vor gelassen, wenn sie zu speziell waren. Schließlich unterschrieb jedes Teammitglied das fertige Working Agreement. Es war fortan unser Vertrag des gemeinsamen Umgangs. Wir überprüften das Agreement regelmäßig und passten es gelegentlich an. Verhielt sich jemand nicht dem Agreement entsprechend, gab es durch die Teammitglieder einen Hinweis. So baute das Team kontinuierlich die Kultur auf diesen gemeinsam beschlossenen Werten auf und aus. Die kontinuierlichen Feedbackschleifen halfen, den Fokus nicht zu verlieren und Veränderung zu integrieren. 

Das Resultat war nach wenigen Monaten ein robustes Team, das durch seine Leistung und eigene Weiterentwicklung Sichtbarkeit erlangte. Es war geradezu positiv auffällig.

Schließlich gab es erste Stimmen, die Fragen stellten: Wie habt ihr das geschafft? Warum ist das so bei euch? Wieso läuft das bei euch und bei uns nicht?

Die Wahrheit ist, dass wir durch allerlei Schwierigkeiten gewandert sind. Der Anfang war hart und konfliktgeladen. Es brauchte diese Auseinandersetzung mit dem Wandel. Die Konfrontation mit verschiedenen Bedürfnissen lehrte jedes Teammitglied den Respekt, denn es war ja ein Miteinander und Füreinander. So wurden wir nach einem nicht so leichten Start gemeinsam besser. Und als es besser wurde, wurde es angenehm und als es angenehm wurde, kamen die Leistung und die Qualität. Das erweckte die Aufmerksamkeit und Neugierde anderer Teams.


Der Inside-Out-Weg zur Veränderung der Unternehmenskultur in der Agile Leadership Journey

Ich wusste zwar, wie wir das erreicht hatten. Aber ich wusste lange nicht, wie ich es benennen konnte. Aus Interesse an Weiterbildung in diesem Themengebiet nahm ich an der Agile Leadership Journey teil. In diesem Kurs, den mein geschätzter Kollege Pascal Gugenberger bei Colenet anbietet, lernte ich den Inside-Out-Weg kennen. Der kam mir sehr bekannt vor.

Der Inside-Out-Weg der Agile Leadership Journey beschreibt genau das Erlebte im zuvor beschriebenen Team. Wir schafften unsere Werte im Team, aufbauend auf Unternehmens- und Scrum-Werten. Wir lebten und bauten sie weiter aus, indem wir unsere persönlichen Umgangsformen festlegten und regelmäßig reflektierten (working agreement). 

Diese Kultur hatte Erfolg, weil sie die lebhafte Umsetzung der Werte war, die wir gemeinsam im Team beschlossen hatten und teilten. Das hatte ungeheure Strahlkraft und überzeugte.

Dieser Weg hat Erfolg, weil vor allem die Betroffenen integriert waren und Einfluss auf ihr Arbeitsumfeld nehmen konnten, auch weil es Unterstützung von den Führungskräften gab und die Führung selbst danach strebte, es vorzuleben. Letztlich kann ich es zusammenfassen in: You get what you give!

Und jetzt findet eure Lösung

Und jetzt? Sollen jetzt alle Scrum einführen? Sollen jetzt alle die Agile Leadership Journey durchlaufen? Sollen jetzt alle reflektieren, wo wir selbst beharrlich, stur, altbacken, engstirnig und festgefahren sind?

Was auch immer hilfreich ist, weiß wohl jeder für sich selbst am besten.

Essentiell wichtig für mich ist es, selbstkritisch und reflexiv an sich zu arbeiten und Werte vorzuleben. Fehler akzeptieren, dazu stehen und versuchen, daraus zu lernen. Willen und Mut zur kontinuierlichen Veränderung zeigen. Klein anfangen, aber nicht kleckern. Ein kleines Team, mit viel Kommunikation und Unterstützung pflegen. Sobald es Früchte trägt, ein weiteres Team verändern und mit all der Erfahrung vom ersten Team aufbauen. Den Austausch zwischen den Teams fördern und voneinander lernen sowie offen sein für Veränderung und dafür, Neues auszuprobieren. Diese Erfahrung und persönliches Investment sind sehr wertvoll. Ich bin überzeugt, miteinander verbessern wir viele Transformationen.

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